Auch 2024 wieder hohes fachliches Niveau und knappe Entscheidung
Seit 2005 vergibt die DWMP e. V. den Heinz Gerngroß-Förderpreis. Ziel ist es, junge Talente der Wehrmedizin und -pharmazie zu fördern und zu ehren. Gestiftet im Gedenken an Oberstarzt Prof. Dr. Heinz Gerngroß, der sich besonders um die Aus-, Fort- und Weiterbildung junger Sanitätsoffiziere verdient gemacht hat und leider viel zu früh im Jahre 2005 verstarb, ist der Preis zu einem Symbol für wissenschaftliches Engagement geworden. Der Förderpreis richtet sich an Nachwuchskräfte sämtlicher Fachrichtungen, die sich mit wehrmedizinischen Fragestellungen beschäftigen. Eine Teilnahme ist bis zum Alter von 33 Jahren möglich.
Vergeben wird der Preis an zwei Preisträger, die von einer sechsköpfigen Jurygremium ausgewählt werden. Bewertet werden unter anderem die fachlich-wissenschaftliche Aussage, die wehrmedizinische Relevanz, die Vortragstechnik und die Diskussionssouveränität. Die Vorträge, die auf eigenen Erkenntnissen oder Untersuchungen beruhen müssen, haben eine Dauer von zehn Minuten, im Anschluss folgt eine kurze Diskussion. Der Heinz-Gerngroß-Förderpreis ist damit nicht nur ein Wettbewerb, sondern auch eine Plattform, um wissenschaftlichen Austausch zu fördern und neue Perspektiven für die Wehrmedizin und Wehrpharmazie aufzuzeigen.
Stimmungsvoller Auftakt
Bereits vor Beginn der Vorträge war beim Austausch mit den Teilnehmenden eine Mischung aus Aufregung und Begeisterung zu spüren. Generalarzt a. D. Prof. Dr. Horst Peter Becker erinnerte an die inspirierende Persönlichkeit von Oberstarzt Prof. Dr. Heinz Gerngroß und an den Kerngedanken des Wettbewerbs: „Der Heinz-Gerngroß-Förderpreis wendet sich ebenso wie der Young-Scientist-Poster-Award an den jungen Wissenschaftler aus dem Sanitätsdienst“. Auch betonte er die Bedeutung des Wettbewerbs: „Wer den Heinz-Gerngroß-Preis einmal gewonnen hat, aus dem ist später auch was geworden.“ In diesem Jahr brachte eine neue Regelung frischen Wind in das Format: Erstmalig konnten alle Vortragenden die Beiträge ihrer Mitstreitenden verfolgen. Diese Neuerung förderte nicht nur den gegenseitigen Austausch, sondern bereicherte auch die Atmosphäre im Saal und stärkte den gemeinsamen wissenschaftlichen Diskurs.
Generalstabsarzt Dr. Hans-Ulrich Holtherm, der zusammen mit Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker vor dem Plenum saß, richtete motivierende Worte an die Teilnehmenden, bat das Publikum um einen Applaus zur Unterstützung der Vortragenden und bat anschließend den ersten Teilnehmer auf die Bühne.
Eine Reise durch acht spannende Vorträge
„Anwendung von kaltem atmosphärischem Plasma im Gewebemodell von Fibroblasten und Epithelzellen: Verstärkter Zellzuwachs durch innovative Wirkmechanismen“
In seinem Vortrag stellte Oberstabsarzt Dr. Abazid die Anwendung von kaltem atmosphärischem Plasma in Gewebemodellen vor. Er betonte: „Unsere Vision ist es, innovative Wirkmechanismen dazu zu verwenden, direkt intraoperativ schon die Weichen richtig zu stellen und intraoperativ, alles dafür zu tun, dass Soldaten/Patienten im Nachhinein ein besseres Outcome haben.“ Dieses nichtinvasive Verfahren könnte die Wundheilung verbessern und bietet interessante Perspektiven für die praktische Anwendung – möglicherweise bereits am Anfang der Rettungskette.
2. Oberstabsarzt Caroline Diekmann (Psychotraumazentrum,
Bundeswehrkrankenhaus Berlin)
„Moralische Verletzungen und Scham nach Auslandseinsätzen:
Therapieoptionen für Bundeswehrsoldaten“
Oberstabsarzt Diekmann widmete sich dem sensiblen Thema moralischer Verletzungen und Scham bei Soldaten nach Auslandseinsätzen. Ihr Beitrag griff Aspekte auf, die auch am Vortag im Vortrag von Generalarzt Dr. Rolf von Uslar thematisiert wurden, und verdeutlichte damit, welche Relevanz diese Themen für die psychologische Betreuung von Einsatzkräften haben. Aus ihrem Vortrag ergab sich zudem die Frage nach möglichen Anwendungen in der Prävention, die zu einem angeregten Austausch führte.
3. Oberstabsarzt Dr. Maximilian Feth (Department für AINS,
Bundeswehrkrankenhaus Ulm)
„Diethylentriaminpentaessigsäure verbessert Thrombozytenzahl und Gerinnungsfunktion in gekühlt gelagerten Vollblutprodukten“
Oberstabsarzt Dr. Feth, der bis 2023 in den USA forschte, zeigte, wie Diethylentriaminpentaessigsäure die Qualität gekühlter Vollblutprodukte verbessert. Sein Vortrag verdeutlichte, wie wertvoll es ist, dass Sanitätsoffiziere die Möglichkeit erhalten, international zu forschen – eine Chance, die durch entsprechende Dienstposten gefördert wird. Solche Programme tragen nicht nur zum individuellen wissenschaftlichen Wachstum bei, sondern stärken auch den internationalen Austausch und treiben den Fortschritt im Sanitätsdienst voran.
4. Frau Fee Gölitz (Institut für Pharmakologie und Toxikologie, Sanitätsakademie
München)
„Lungengewebeschnitte in der wehrmedizinischen Toxikologie: Vom „Lungen-Gummibärchen“ zum hochfunktionellen Präzisionslungenschnitt“
Mit ihrem kreativen Titel „Vom Lungen-Gummibärchen zum Präzisionslungenschnitt“ erläuterte Frau Gölitz die Weiterentwicklung medizinischer Modelle. Sie veranschaulichte, wie ihre Methodik vom Modell hin zum Menschen führt und dabei nicht nur strukturelle Aspekte des Lungengewebes, sondern auch funktionale Probleme und somit Symptome direkt adressiert – ein beeindruckender Beitrag zur toxikologischen Forschung.
5. Leutnant (SanOA) Melanie Häfner (Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie,
Bundeswehrkrankenhaus Berlin)
„Praktikabilitätstestung der Bakteriophagentherapie am Bundeswehrkrankenhaus Berlin“
Leutnant (SanOA) Häfner präsentierte Ergebnisse zur Praktikabilität der Bakteriophagentherapie, die trotz rechtlicher Herausforderungen erprobt wurde. Ihre Forschung legt einen Grundstein dafür, diese Therapieform klinisch einzusetzen – ein bedeutendes Novum in Deutschland. Ihr offener Umgang mit den Grenzen ihrer Arbeit wurde aus dem Publikum als „sehr ehrlich“ gelobt, und weckt Erwartungen an die zukünftige Entwicklung dieser Therapieform.
6. Oberstabsarzt Dr. Timo Orben (Institut für Radiobiologie, Sanitätsakademie
München)
„Transient Receptor Potential Channels als neues Ziel zur Therapie der akuten Strahlenkrankheit“
Oberstabsarzt Dr. Orben präsentierte, wie Transient Receptor Potential Channels zur Therapie der akuten Strahlenkrankheit genutzt werden könnten. Spannend war, dass am Vortag im Rahmen des Young-Scientist-Poster-Awards die Diagnostik der akuten Strahlenkrankheit thematisiert wurde, während sich Oberstabsarzt Dr. Orben‘s Vortrag nun der Behandlung widmete – ein interessanter Einblick in die Vielfalt der Forschungsansätze.
7. Oberstabsarzt Dr. Angelina Strauch (Klinik für Urologie,
Bundeswehrzentralkrankenhaus Koblenz)
„Unterschiede in der radiologischen Beurteilung retroperitonealer Lymph-knoten bei Hodentumorpatienten: Einfluss auf das klinische Stadium und die Therapie?“
Oberstabsarzt Dr. Strauch thematisierte die radiologische Beurteilung retroperitonealer Lymphknoten bei Hodentumorpatienten und deckte eine wesentliche Lücke in der Stadieneinteilung dieser Tumorerkrankung auf. Sie legte dar, wie Unterschiede in der Beurteilung der Lymphknoten das klinische Stadium beeinflussen und somit Auswirkungen auf die Therapieentscheidung haben können. Ihre Arbeit eröffnet die Möglichkeit, die Stadieneinteilung zu präzisieren, Über- und Untertherapien zu vermeiden und so die Behandlungsqualität entscheidend zu verbessern.
8. Oberstabsarzt Dr. Felix Weinreich (DIA I. DEU/NLD Corps, Münster)
„Strukturierte Erfassung, Auswertung und Interpretation von belastenden Dienstbedingungen während der NATO-Übungen Steadfast Jupiter 2023
und Loyal Leda 2024“
Oberstabsarzt Dr. Weinreich analysierte die Dienstbedingungen während NATO-Übungen und beleuchtete, wie das „Adjusted Culture Of Care Barometer“ als Instrument zur Untersuchung von Teamunterstützung und Kameradschaft eingesetzt werden kann. Seine Ergebnisse liefern Impulse für die Weiterentwicklung der Führungskultur im militärischen Kontext.
Zu den Vorträgen stellten die Jurorinnen und Juroren kritische Fragen, die den wissenschaftlichen Diskurs belebten. Die Vortragenden wurden herausgefordert, ihre Arbeiten zu verteidigen, und erhielten wertvolle Impulse, um ihre Projekte aus neuen Perspektiven zu betrachten und gegebenenfalls weiterzuentwickeln.
Preisverleihung im festlichen Rahmen
Ein besonderer Moment des Festabends war die Verleihung des Heinz-Gerngroß-Förderpreises durch Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker. In seiner Ansprache betonte er, wie stolz er auf die Teilnehmenden und ihre beeindruckenden Arbeiten sei: Der Heinz Gerngroß-Förderpreis bereite ihm in jedem Jahr eine riesige Freude. Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker erwähnte, dass es „ziemlich knapp geworden sei“. Schließlich wurden die Gewinnerinnen bekannt gegeben:
Den zweiten Platz belegte Fee Gölitz mit ihrer Forschung zur Toxikologie, während Oberstabsarzt Dr. Angelina Strauch für ihren Beitrag zur Urologie mit dem ersten Platz ausgezeichnet wurde. Generalarzt a. D. Prof. Dr. Becker gratulierte den Nachwuchstalenten herzlich und würdigte ihre Leistungen. Leistungen, die nicht nur für den Wettbewerb, sondern auch für die zukünftige Entwicklung der Wehrmedizin und Wehrpharmazie von Bedeutung sein könnten.
Kurzfassungen (Extended Abstracts) der Wettbewerbsvorträge werden in der Ausgabe 1-2025 der Wehrmedizinischen Monatsschrift veröffentlicht.
Ein Ausblick mit Einladung
Das Nachwuchsforum konnte erneut zeigen, wie facettenreich und relevant wehrmedizinische Forschung ist. Wir blicken gespannt auf den nächsten Wettbewerb und ermutigen junge Talente, sich einzubringen und mit ihren Ideen die Zukunft des Sanitätsdienstes mitzugestalten!
Leutnant SanOA Sophia Nitzsche
DGWMP e.V.