Am 14.11.2024 startete der 55. Kongress der DGWMP e. V. im Kongresszentrum am Park in Augsburg. Die drei Kongresstage bis zum 16.11.2024 stehen unter dem Motto:
„Der Sanitätsdienst als Key Enabler der Bündnis- und Landesverteidigung.“
Vor dem Hintergrund der anhaltenden weltweiten Konflikte konnte der Themenschwerpunkt kaum besser gewählt werden. Es gilt, die Anforderungen an Forschung, Einsatzbereitschaft und medizinische Versorgung vor dem Hintergrund aktueller sicherheitspolitischer Entwicklungen herauszuarbeiten und zu diskutieren.
Mehr als 350 Teilnehmende fanden den Weg in die Fuggerstadt Augsburg, darunter Expertinnen und Experten aus Österreich, der Schweiz, Ungarn und Norwegen. Sie können sich ab dem ersten Kongresstag nicht nur intensiv untereinander austauschen, sondern auch in Dialog mit 55 Ausstellenden der begleitenden Industrieausstellung treten. Der Einsatz robuster Medizintechnik, die Verfügbarkeit geeigneten Verbandmaterials und der Einsatz moderner Pharmaka und Impfstoffe tragen entscheidend dazu bei, das Überleben und die Rehabilitation Verletzter zu ermöglichen. Dies zeigt sich nur zu deutlich im Nahen Osten und in der von Russland überfallenen Ukraine. Umso wichtiger ist es, dass Anwender, Planer und Materialverantwortliche sich aus erster Hand über medizinische Innovationen informieren und austauschen können. Mit dem Kongresszentrum am Park steht hierfür und für alle anderen Teile des umfassenden Kongressprogramms ein hervorragender Rahmen zur Verfügung.
Feierliche Kongresseröffnung
Pünktlich um 10:30 Uhr eröffnete ein musikalisches Entree von Sven Koblischek, der eine Fantasie über das Kirchenlied „Ein feste Burg“ spielte, die Veranstaltung.
Der Tagungspräsident Oberfeldarzt Dr. Dr. André Müllerschön aus dem Sanitätsversorgungszentrum Neubiberg begrüßte die Teilnehmenden im gut besetzten Kongresssaal. Er war wie der wissenschaftliche Leiter des Kongresses, Oberstarzt Prof. Dr. Dirk Steinritz vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Bundeswehr in München, froh, dass es nach monatelanger Vorbereitungsarbeit endlich losging. Die Moderation des Vormittags übernahm Oberstabsarzt Constanze Brückner, die durch das Programm führte und den verschiedenen Rednerinnen und Rednern das Wort übergab.
Grußworte
Für die gastgebende Stadt Augsburg begrüßte Frank Pintsch, Ordnungsreferent der Stadt, die Teilnehmenden und hieß diese in Augsburg herzlich Willkommen. Pintsch zeigte sich besonders erfreut darüber, dass die Teilnehmenden vor ihm wüssten, dass der Mensch nicht nur aus Körper, sondern ebenso aus Geist und Seele bestehe. Er betonte außerdem, dass Augsburg sich als Friedensstadt verstehe. „Frieden und Freiheit sind nicht selbstverständlich,“ merkte er an und hob die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Verwaltungen hervor. Es brauche finanzielle Ressourcen, um unser Land in den drei hervorzuhebenden Bereichen Infrastruktur, Wissensmanagement und Kontakte weiterzubringen. Abschließend drückte er die Hoffnung aus, dass eine Zusammenarbeit im Ernstfall nicht erforderlich werde, trotzdem sei er „gottfroh, dass wir wissen, dass wir es könnten und, dass wir zusammenstehen, wenn es denn notwendig wird“
Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel, Präsidentin der Universität Augsburg hob in Ihrem Grußwort die Bedeutung der Veranstaltung für die Stadt hervor. „Ich danke Ihnen besonders, dass Sie mit dieser Veranstaltung hier in Augsburg ein Zeichen für die Zukunft und eine wehrhafte Demokratie setzen,“ sagte sie. Zudem betonte sie die Bedeutung der Zusammenarbeit und die Verantwortung, sich den sicherheitspolitischen Herausforderungen der Zukunft bewusst zu stellen.
Kongresseröffnung und Auszeichnungen
Der Präsident der DGWMP e. V., Generalstabsarzt a. D. Dr. Stephan Schoeps, eröffnete den 55. Kongress offiziell und sprach von der Herausforderung, in der Bevölkerung ein Bewusstsein für die aktuelle sicherheitspolitische Zeitenwende zu schaffen. „Schlachten werden im Feuerkampf gewonnen, aber Kriege mit einem vernünftigen Sanitätsdienst,“ so Schoeps. Traditionell wurden in diesem Rahmen die lehrgangsbesten Offizieranwärterinnen und -anwärter des Jahres ausgezeichnet – Personen, die „im Rahmen des Laufbahnlehrganges als Gesamtpersönlichkeit leistungsmäßig und charakterlich überzeugen und in Haltung und Pflichterfüllung vorbildlich sind.“ Schoeps betonte, dass jede Auszeichnung eigentlich viel mehr Ansporn als Dank sei. Ausgezeichnet wurden aus den Gruppen der
Sanitätsoffizieranwärter
Leutnant SanAO Maria Magdalena Sturm
Offizieranwärter des militärfachlichen Dienstes im Militärmusikdienst der Bundeswehr
Leutnant Stephanie Witte
Offizieranwärter im Truppendienst des Sanitätsdienstes der Bundeswehr
Oberfeldwebel OA Johannes Peter
Verleihung des Paul-Schürmann-Preises 2024
Seit 1968 verleiht die DGWMP e. V. zur Förderung der wissenschaftlichen Arbeit auf dem Gebiet der Wehrmedizin alle zwei Jahre den „Paul-Schürmann-Preis“. Ausgezeichnet werden wissenschaftliche Arbeiten auf dem Gebiet der Wehrmedizin und Wehrpharmazie einschließlich relevanter Nebengebiete. Die Arbeiten sind schriftlich einzureichen und werden von einer Kommission begutachtet. Die Qualität der für den diesjährigen Wettbewerb eingereichten Arbeiten war wieder so gut, dass die Bewertungskommission keinen einzelnen Sieger festlegen konnte. Der Paul-Schürmann-Preis 2024 „wurde deshalb an vier Teilnehmende dreier Partien zu gleichen Teilen vergeben.“. Wettbewerbssieger 2024 wurden:
Oberfeldarzt Dr. Daniel Gagiannis und Oberstarzt Prof. Dr. Dr. rer. nat. Konrad Steinestel:
„Klinik, Pathophysiologie und wehrmedizinische Bedeutung des pulmonalen postCOVID-Syndroms“
Oberfeldarzt Prov.-Doz. Dr. Tim Nestler:
„Übertherapie von Lymphadenektomie nach Chemotherapie (pcRPLND) bei metastasierten Hodentumorpatienten – vom relevanten klinischen Problem zu neuer molekularbiologischer Diagnostik“
Oberstabsarzt Dr. Aliona Wöhler:
„LiBoD – Liquid Biopsy in Organ Damage – ExoViewsmall extracellular vesicle chip-based assessment ofpolytrauma“
Der Präsident der DGWMP e. V. überreichte die Urkunden und Preise. Kurzfassungen der eingereichten Arbeiten werden in der Februarausgabe 2025 der Wehrmedizinischen Monatsschrift (WMM) erscheinen.
Nach der Preisverleihung gab es ein musikalisches Intermezzo, bei dem eine Improvisation einer ukrainischen Volksweise nach Mykola Lyssenko zu hören war.
Festvortrag
Oberstarzt Prof. Dr. Dirk Steinritz leitete auf das Thema des diesjährigen Festvortrags über. Bevor er den Festredner vorstellte, hob er hervor, dass der Begriff „Zeitenwende“ eng mit den Forderungen nach Kriegstüchtigkeit sowie einer gestärkten Fähigkeit zur Landes- und Bündnisverteidigung verbunden sei. Er lenkte den Fokus auf die zentrale Rolle des Sanitätsdienstes im Rahmen der Bündnis- und Landesverteidigung. Mit der medizinischen Versorgung eigener und alliierter Soldaten sei der Sanitätsdienst der Bundeswehr eine wesentliche Kernfähigkeit der Kriegstüchtigkeit. Als entscheidender Key Enabler der Bündnis- und Landesverteidigung sei er Bedarfsdecker für die Forderungen und Erwartungen der NATO, der Bundeswehr sowie der zivilen Seite – vor diesem Hintergrund wurde das Thema des diesjährigen Kongresses gewählt.
Anschließend stellte er den Festredner, Prof. Josef Hecken, vor.
Prof. Hecken ist seit Juli 2012 unparteiischer Vorsitzender des gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Die vom G-BA im Rahmen seines gesetzlichen Auftrags erlassenen Richtlinien zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Gesundheitsversorgung sind für Krankenversicherer wie Leistungserbringer bindend.
In seinem Vortrag zu den „Herausforderungen für die Gesundheitsversorgung im Kontext von Kosten und Demografie“ lieferte Prof. Dr. Hecken außergewöhnlich tiefgehende fachliche Einblicke, die er mit statistischen Analysen untermauerte. Mit Leidenschaft und klarer Überzeugung trug er seine Argumente vor.
Auch Prof. Hecken hob die Begriffe Zeitenwende und Kriegstüchtigkeit heraus. Dabei stellte er klar, dass eine klare Corporate Identity für den Sanitätsdienst essenziell sei, eine Corporate Identity, welche dazu beiträgt, sagen zu können „das ist meine Heimat. Hier habe ich eine Gruppe und eine Truppe, die sich eben der Humanitas verschrieben hat und hier werde ich eben nicht nur wertgeschätzt, sondern hier kann ich die exzellenten Kenntnisse, die ich habe, in die Versorgung einbringen.“ Nur durch eine starke Identifikation könne es langfristig gelingen, das notwendige Personal zu gewinnen und den Auftrag zu erfüllen. Wenn es darauf ankommt, seien das zivile Gesundheitswesen sowie der Sanitätsdienst der Bundeswehr gefordert, rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr im Einsatz zu sein. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sei es von entscheidender Bedeutung, die Resilienz im Gesundheitswesen zu stärken, insbesondere das Durchhaltevermögen bei lang anhaltenden Belastungssituationen. Darüber hinaus unterstrich er die Wichtigkeit einer strukturierten Zusammenarbeit – über Bundesländergrenzen hinweg sowie zwischen ziviler Seite und Bundeswehr. „Wir müssen miteinander sprechen, um eben optimierte gemeinsame Konzepte zu entwickeln, aus denen dann auch beide Seiten profitieren können“, betonte Hecken. Dabei sei die Verpflichtung zur Humanitas und zum Schutz von Leib, Leben und Gesundheit der Menschen eine gemeinsame Basis, unabhängig vom spezifischen Auftrag. Abschließend erklärte er: „Sie im Rahmen Ihres Auftrages. Ich im Rahmen meines Auftrages. Und wir gemeinsam im Rahmen eines gemeinschaftlichen Auftrages.“
Mit Auszügen in freier Variation aus dem ersten Satz von Beethovens Tripelkonzert und den von Oberstabsbootsmann Stefanie Hippler eindrucksvoll gesungenen Hymnen klang die Kongresseröffnung aus.
Wissenschaftliches Programm
Der Kongress umfasst insgesamt 51 Vorträge, 46 Poster, 4 Workshops sowie zahlreiche Arbeitstagungssitzungen und Arbeitskreissitzungen, was die umfangreiche und interdisziplinäre Ausrichtung unterstreicht.
Der Nachmittag des ersten Tages war prall gefüllt mit Workshops (z.B. zum Thema Mentoring und zum Einsatz künstlicher Intelligenz bei klinischen Entscheidungen), dem Besuch der Industrieausstellung und einer umfangreichen Poster-Präsentation mit insgesamt 46 Teilnehmenden, die sich auf den für Freitag, den 15. November 2024, terminierten Jurybesuch im Rahmen des Posterwettbewerbsvorbereiteten. Im Kongresssaal standen u.a. die Forschungsaktivitäten der NATO Science and Technology Organization (Dr. Blatny aus Norwegen), die Neufassung der NATO Principles of Medical Support (Oberstarzt Dr. Mayer) und das Thema „Katastrophenmedizin im Kriegsfall – was passiert auf ziviler Seite?“ (Dr. Follmann, DGKM) auf der Agenda. Die genannten Vorträge repräsentieren nur einen kleinen Ausschnitt aus der Fülle der Themen, die den ersten Kongresstag erst kurz vor 19.00h ausklingen ließen.
Ein vielversprechender Start!
Leutnant SanOA Sophia Nitsche
DWGMP e. V.